Die Behandlung von FNS

Funktionelle Neurologische Störungen (FNS) sind unwillkürliche Unterbrechungen motorischer, sensorischer oder kognitiver Funktionen, die eng verknüpft sind mit emotionalen und sozialen Funktionen. Sie manifestieren sich meist als sichtbare und beunruhigende Symptome, die die normale Alltagsfunktionalität stark einschränken. Betroffene wollen verstehen, was mit ihnen geschieht, wollen sich wieder spüren, wünschen sich wieder Kontrolle und Handlungsfähigkeit. Primäres Behandlungsziel ist daher die (Wieder-)Herstellung von Selbstwahrnehmung und Selbststeuerung durch (Re-)Integration sensomotorischer, kognitiv-emotionaler und sozialer Funktionen. 

Wie geht das?

Umdenken und aktiv werden!

Unser Medizinsystem funktioniert überwiegend so: Menschen haben ein gesundheitliches Problem, Gesundheitsdienstleistende sortieren es ein und beseitigen es durch passive Maßnahmen wie Operationen oder Medikamente. Passive Behandlungen verbessern allerdings sensomotorische, kognitiv-emotionale und soziale Funktionen allenfalls indirekt oder nur vorübergehend. Wenn sie die Fremdbestimmtheit des eigenen Körpers bzw. die Abhängigkeit von Behandlung und Behandlern verstärken oder mit gesundheitlichen Risiken einhergehen, schaden sie sogar eher. Sie spielen in der Behandlung von FNS deshalb eine untergeordnete Rolle und sollten einer strengen Indikationsprüfung unterliegen. Es gibt keinen simplen Behandlungsalgorithmus, kein „one size fits all”, keine schnelle Pille oder einträgliche OP, kein „Mach mal“ von Patienten- und kein „Ich repariere das“ von Arztseite. Auch wenn zeitweise Unterstützung von außen sinnvoll ist, steht die Selbstwirksamkeit (Empowerment) der Betroffenen also klar im Mittelpunkt. Eine maßgeschneiderte, vielfältige und aktive Behandlung, die Körper und Geist gleichermaßen adressiert, hat viel bessere Chancen, nachhaltig zu wirken, als einseitige und passive Maßnahmen. 
 

Die zentralen Elemente aller FNS-Behandlungsansätze sind daher:

  • Verstehen (z.B. nachvollziehbares Erklärungsmodell, Identifizieren von Triggern) 
  • Motivieren (z.B. Lebensziele, Erwartungsverletzungen/Aha-Erlebnisse) 
  • Steuern und Balancieren (z.B. Gleichgewichtstraining, Balance zwischen Herausforderungen und Erholung) 
  • Anpassungsfähigkeit nutzen (z.B. Wehrhaftigkeit, Re-Training von Bewegungsabläufen) 
  • Üben und Anwenden im Alltag (z.B. Übungen in Eigenregie, Wiedereingliederung am Arbeitsplatz) 


Interventionen wie die Erarbeitung eines gemeinsamen Krankheitsverständnisses, positive Verstärkung und Aufmerksamkeitslenkung sind beispielsweise im Diagnosegespräch ebenso nützlich wie in der Ergotherapie. Konkrete Aha-Erlebnisse, die sich besonders einprägen und rasch eine Änderung der Symptomatik nach sich ziehen, können in der Sprechtherapie ebenso passieren wie im Achtsamkeitstraining. Dabei kommen die Erfolge der Behandlung manchmal „durch die Hintertür“, wenn man sie am wenigsten erwartet oder etwas Ähnliches als die gestörte Funktion macht (z.B. Klavierspielen anstatt nach einem Glas zu greifen). Manchmal scheint z.B. die Physiotherapie den Durchbruch zu bringen, manchmal die Psychotherapie.

Die Stärkung der Selbstwirksamkeit und die Re-Integration sensomotorischer und kognitiv-affektiver Funktionen sind die wichtigsten Behandlungsziele bei FNS. 

Zusammenarbeiten! 

Sinnvoll ist daher meist eine Kombination verschiedener Behandler bzw. Therapieformen mit intensiver Einbeziehung der Betroffenen. Dafür sind geeignete Strukturen und Abrechnungsmöglichkeiten, v.a. aber integrative Therapiekonzepte und -netzwerke nötig. Damit es dabei keine Behandlungslücken oder -widersprüche gibt, braucht es ein integriertes biopsychosoziales Störungsmodell aller Beteiligten und eine enge transdisziplinäre Zusammenarbeit, bei der die einzelnen Behandlungselemente nicht nur addiert oder „abgehakt“, sondern unter allen Behandlern und mit den Betroffenen abgestimmt werden. 

[Verlinkungen folgen, Unterseiten im Aufbau]

  • Selbsthilfe 
  • Ärztliche Behandlung
  • Spezielle Anlaufstellen für FNS (Ambulanzen und Kliniken)
  • Physio- und Ergotherapie, ggf. Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie 
  • Bewegungs-/Körper(psycho)therapie, Meditation, künstlerische Therapien
  • Psychologische bzw. psychosoziale Behandlungsansätze, Neuropsychologie und Psychotherapie
  • Soziale Hilfen und Pflege


Überwiegend für schwerer Betroffene geschieht dies „unter einem Dach“ in neurologischen oder psychosomatischen Fachkrankenhäusern oder Rehabilitationskliniken als sogenannte multimodale Behandlung. Mit einer guten Logistik kann die Idee einer transdisziplinären multimodalen Behandlung aber auch ambulant umgesetzt werden, indem z.B. mit FNS vertraute niedergelassene Neurologinnen, Physio- und Psychotherapeutinnen zusammenarbeiten. Weil viele Betroffene zumindest anfangs in ihrer Mobilität eingeschränkt sind und weil es wichtig ist, Behandlungen in den Alltag zu integrieren und dort auch anzuwenden, sollte die Behandlung grundsätzlich so lokal wie möglich sein.


Das Motto „(Re-)Integration und Selbstwirksamkeit gilt für das Denken und Handeln aller an der Behandlung Beteiligten, von der Hausärztin bis zum Psychotherapeuten, vom Neurologen bis zur Ergotherapeutin, und natürlich auch der Betroffenen selbst: Die Behandlung von FNS ist integrativ biopsychosozial im besten Sinne.

Die multimodale Behandlung sollte in ihrer Zusammensetzung und Intensität der Symptomatik und dem Beeinträchtigungsgrad des individuellen Patienten angepasst werden. Lokal koordinierte Therapien sind besser als pauschale Überweisungen und Verordnungen.

Zum Weiterlesen

Hausteiner-Wiehle C, Schmidt R. Die transdisziplinäre Behandlung funktioneller Bewegungsstörungen: Integration statt Dissoziation. Nervenarzt. https://link.springer.com/article/10.1007/s00115-023-01596-z 

Popkirov, Weißbach, Klaasen van Husen, Hergert: FNS – was kann man tun?  (ca 70 min) https://www.youtube.com/watch?v=2dD1dZHWvZY 


National Neurosciences Advisory Group (NNAG): Optimierter Behandlungspfad für Erwachsene mit funktionellen neurologischen Störungen https://nnag.squarespace.com/optimal-clinical-pathway-adults-fnd-functional-neurological-disorder 


Deutschsprachige S3-Leitlinie „Funktionelle Körperbeschwerden“ (bezieht sich auf alle Arten funktioneller Störungen, wird derzeit erneut aktualisiert) 

- Langfassung: https://register.awmf.org/assets/guidelines/051-001l_S3_Funktionelle_Koerperbeschwerden_2018-11.pdf 

- Kurzfassung (im Deutschen Ärzteblatt): https://register.awmf.org/assets/guidelines/051-001k_S3_Funktionelle_Koerperbeschwerden_2019-08.pdf 

- Patientenleitlinie, Langfassung: https://register.awmf.org/assets/guidelines/051-001p1_S3_Funktionelle_Koerperbeschwerden_2020-01-abgelaufen.pdf 

- Patientenleitlinie, Kurzfassung:  https://register.awmf.org/assets/guidelines/051-001p2_S3_Funktionelle_Koerperbeschwerden_2020-01-abgelaufen.pdf